„Die Kunst, aus einem Tier etwas zu machen“: Mit diesen Worten beschreibt Thomas Köhn, Geschäftsführer der Metzger Max Bio GmbH, die seit diesem Jahr Mitglied im Biokreis ist, sein Handwerk. In seinem Betrieb in Hof (Franken) werden Mensch und Tier in ihrer ganzen Vielfalt gefordert. Jedes Tier wird komplett verwertet: Sämtliche Fleischteile werden zu Lebensmitteln verarbeitet, Knochen für Fonds und Eintöpfe verwendet, Knorpel und Sehnen für die Produktion von Tiernahrung.
Um dies überhaupt zu ermöglichen, sei anders als in der industriellen Verarbeitung echtes Handwerk gefragt. „Unsere Metzger sind überall einsetzbar – egal ob in der Produktion oder Zerlegung“, erklärt Thomas Köhn, der insgesamt 14 Mitarbeitende in seinem Bio-Unternehmen beschäftigt. In der Industrie hingegen würde eine Person nur an einer einzigen Station eingesetzt und dort mit einer einzigen Aufgabe betraut, beispielsweise Wurst einzufüllen. Das könne innerhalb von zwei Tagen erlernt werden und erfordere keine Ausbildung.
Flexibilität statt Starrsinn
Über Nachwuchs in der Produktion kann sich Thomas Köhn nicht beklagen. Auch der Nachwuchs in der eigenen Familie sei im Unternehmen aktiv – ein Grund mehr, den Betrieb auf mehrere Standbeine zu erweitern. „Wir waren immer schon breit aufgestellt. Das hat uns schon durch zahlreiche Krisen geholfen“, erinnert sich Thomas Köhn. Genau hierin liege auch die Stärke der handwerklichen Lebensmittelverarbeitung: flexibler zu sein als die Industrie, schneller reagieren zu können. „Nischen, die man erst einmal eine Zeit lang wie Pflänzchen hegt und pflegt, führen oft nach längerer Zeit zum Erfolg“, teilt Thomas Köhn seine Erfahrung.
So öffnet sich der Metzger-Betrieb seit einiger Zeit der veganen Strömung und erzeugt Fleischersatz-Produkte aus Proteinen, „mit einem Kaugefühl im Mund“, sagt Thomas Köhn augenzwinkernd, „ich als Metzger kann selbst nicht glauben, wie gut das schmeckt.“ Man dürfe nicht starrsinnig sein, nicht am Markt vorbei produzieren, sondern müsse offen und kreativ sein. Ärgerlich sei dabei, dass die kleineren handwerklichen Betriebe häufig Neues ausprobieren und bei Erfolg von der Industrie im großen Stil kopiert werden. Beispiel: Dry Aged Fleisch. Kleine Metzgereien hätten es ins Lebens gerufen und dafür geworben. Dann übernahm es die Industrie.
„Nischen, die man erst einmal eine Zeit lang wie Pflänzchen hegt und pflegt, führen oft nach längerer Zeit zum Erfolg.“
Stromkosten als Herausforderung
Ein massiver Nachteil der handwerklichen Fleischverarbeitung: Sie ist immens teuer. Die Spezialisierung in der Industrie macht eine maschinelle und billige Verarbeitung möglich. In der Metzger Max Bio GmbH wird dagegen eine Vielfalt an Produkten erzeugt: Rohwurst, Kochwurst, Edelschimmelsalami, Brühwurst, Konserven… In kleinen Margen werden sogar Fonds, Suppen und Eintöpfe gekocht und in Gläser abgefüllt. Die Sorgfalt und geringen Mengen kosten Zeit und Geld. Und dann ist da noch das Thema Energie: in einer Metzgerei ein Posten, der gründlich zu Buche schlägt… Thomas Köhn legt ein paar seiner Zahlen offen: Bei einem Strompreis von 4,6 Cent kam er im Jahr 2021 auf rund 87.000 Euro Gesamtstromkosten. Geht er vom Strompreis seines Anbieters im September 2022 aus, kommt er auf jährliche Mehrkosten von 233.000 Euro.
Im Neubau sei zwar eine Photovoltaikanlage installiert, aber aufgrund fehlender Speicherkapazitäten könne diese nicht zu 100 Prozent genutzt werden. Man setze daher auf Maschinen mit möglichst geringem Energieverbrauch, habe alle Lampen auf LED umgestellt und Bewegungsmelder montiert. Doch auch die Materialkosten haben sich erhöht. Gläser kosten doppelt so viel wie im Jahr zuvor, Deckel sind um 60 Prozent teurer geworden, auch die Preise für Gewürze und Därme sind gestiegen. Und die Benzinkosten belasten den Betrieb enorm. Außerdem wurden Lohnerhöhungen notwendig, damit auch die Mitarbeitenden ihre privaten Mehrkosten decken können. „Derzeit geben wir jeden übrigen Betrag auf ein Notgroschen-Konto, so dass wir eine Reserve für mehr Energiekosten haben“, sagt Thomas Köhn.
Mittelstand-Kundschaft bricht weg
Die steigenden Materialkosten wurden teilweise auf das Endprodukt umgelegt. Dies spiegle sich nun bereits in einem gezielteren Einkaufsverhalten der Kundschaft wider. „Da wird dann eben das Roastbeef mit 300 statt mit 400 Gramm gewählt“, so Thomas Köhn. Grundsätzlich habe das Unternehmen aber eine Kundschaft, die sich was leisten könne. Es gebe einige Kund*innen, die nur alle vier Wochen von weit her kommen und dann aber für mehrere Hundert Euro einkaufen. Was derzeit wegbreche, sei der Mittelstand, „und da frage ich mich schon, wie wir das nächste Jahr überstehen sollen“. Für Thomas Köhn ist klar, dass die Politik jetzt handeln und einen Preisdeckel schaffen müsse, um mittelständische Bäckereien und Metzgereien, die eben sehr energieintensiv produzieren, zu retten. „Sonst sehe ich schwarz für viele Betriebe.“
Ob das Metzgerhandwerk denn angesichts steigender Energiepreise, zunehmender vegetarischer und veganer Ernährungstrends und vielerorts festzustellendem Nachwuchsmangel überhaupt noch Zukunft habe? „Die Guten werden überleben“, ist sich Thomas Köhn sicher. „Wer die Preise im Blick hat, an Kalkulationen arbeitet und mit der Zeit geht, hat eine Chance zu bleiben.“
Von Ronja Zöls-Biber
Bild: PRIVEUP