Kartoffeln? Natürlich Bio!Der Unterschied, den man schmeckt
Systemunterschied
Der wesentliche Unterschied zwischen ökologischem und konventionellem Kartoffelanbau liegt laut Carsten Niemann im Denken. „Viele Konventionelle
arbeiten so als wollten sie die Welt beherrschen und den Anbau mit den richtigen Hilfsmitteln und Gewalt durchsetzen“, sagt er. Als Öko dagegen müsse
man die Strömung nutzen, die dem eigenen Ziel zuträglich sei. Beispiel Krautfäule-Bekämpfung: Sieben bis neun Mal werde im konventionellen Anbau
mit systemischen Fungiziden gegen den Pilz vorgegangen, um das Blattwerk grün zu halten und den Maximalertrag zu erzielen. Und dann – im
Extremfall – werde einen Tag nach dem Spritzen gerodet und das Blatt chemisch abgetötet. Im Ökolandbau gehe es im Gegensatz dazu darum, richtige
Sorten, Zeitpunkte und Fruchtfolgen zu finden.
Schädlingsbekämpfung
Der Kartoffelkäfer kommt jedes Jahr. Doch in den vergangenen Jahren habe sich der Bestand vermehrt. Im konventionellen Ackerbau werde chemisch
alles tot gespritzt, im ökologischen Landbau setzt man auf Fruchtfolgen und die Verwendung des biologischen Mittels Neem Azal. „Es fällt mir persönlich
schwer, mit der Spritze übers Feld zu fahren. Ich denke, in der Verbraucherschaft wird das ebenfalls kritisch beäugt“, gibt Carsten Niemann zu. Doch auch
der Ökolandbau komme in diesem Fall nicht ums Spritzen herum.
Sorte
Die Wahl der Sorten richtet sich im konventionellen Anbau nach dem gewünschten Endprodukt. Für Kartoffelchips werde beispielsweise die Sorte Saturna bevorzugt. Der erforderliche wirtschaftliche Ertrag könne aber nicht ohne chemischen Aufwand erzielt werden. Bio-Kartoffeln werden nach Geschmack, Robustheit und Lagerfähigkeit ausgewählt. Auch die Ertragserwartung ist bei den ökologischen Betrieben niedriger als bei den konventionellen. Trotzdem könne auch ein Öko-Betrieb mit Glück eine ähnlich große Ernte einer hochwertigen Speisekartoffel einfahren.
Pilzbekämpfung
Die Kraut- und Knollenfäule ist der Pilz im Kartoffelanbau – und die Frage sei niemals, ob sie auftritt, sondern wann sie auftritt. Je später, desto besser, denn umso größer ist die Knolle bereits. Auch wenn die Fäule im konventionellen Anbau chemisch bekämpft wird, trete sie auch dort auf, und am Ende höre man auch bei konventionellen Kolleg*innen immer wieder: „Mir ist eine Box hochgegangen“; das heißt die Fäule hat in der Lagerkiste die Knolle erwischt und sie zerstört. Hier sei ein umfangreiches Wissen von Nöten, das damit beginnt, dass eine blattkranke Pflanze auch eine gesunde Knolle hervorbringen kann. Denn die Knolle wird nicht über den Saftstrom infiziert, sondern über Sporen von toten Blättern, die sich auf dem Damm verteilen und beim Roden durch die belastete Erde auf die Kartoffeloberfläche gelangen. Durch die Schale könne sie aber nur durch Schwimmen eindringen.
Gerodet werden solle daher nie bei hoher Luftfeuchtigkeit oder Nieselregen, denn dann wird die Spore eingeschwemmt. „Wenn doch einmal eine Kiste vom Schauer erwischt wird, wird diese gekennzeichnet und extra gestellt. Hier kommt es immer zur Knollenfäule“, erzählt Carsten Niemann von seinen Erfahrungen. Der richtige Zeitpunkt der Ernte zähle also. Und dieser sei im konventionellen Anbau oft brutal auf ein bestimmtes Datum festgelegt. Ist der Kraut- und Knollenfäule gar nicht mehr beizukommen, wird auch im Ökolandbau ein Mittel eingesetzt: das umstrittene Kupfer. „Wenn man bedenkt, dass auf einem Schlag nur alle vier bis fünf Jahre Kartoffeln angebaut werden und 750 Gramm dieses natürlicherweise im Boden vorhandenen Stoffs pro Hektar erlaubt sind, sind die negativen Auswirkungen hier viel geringer als mit Chemie gegen die Fäule vorzugehen“, weiß Carsten Niemann.
Düngung
Im konventionellen Anbau werden 160 bis 200 Kilo Stickstoff pro Hektar gedüngt, im Ökolandbau etwa die Hälfte, also 80 bis 100 Kilo. „Diesen Unterschied schmeckt man“, betont Carsten Niemann. Aufgrund der mangelnden Qualität sei etwa in den vergangenen Jahren bei den Discountern der Absatz konventioneller Kartoffeln zurückgegangen und man habe in der Folge zunehmend auf Bio-Kartoffeln gesetzt.
Lagerung
Ein Kistenlager ist heute Standard, die Ökos hätten hier frühzeitig investiert. Bei sämtlichen Bio-Betrieben, die er kenne, seien gute Lagerbedingungen vorzufinden. Und einzelne Direktvermarkter*innen, die ihre Kartoffeln in der Scheune lagern, hätten diese einfach anders im Blick und würden damit auch zurechtkommen. Und doch haben Konventionelle mit der Begasung der Ware noch einmal andere Möglichkeiten der Lagerung und Lieferfähigkeit. Einige Bio-Betriebe entschieden sich für das System der Druckbelüftung, das Carsten Niemann jedoch nicht so gut gefällt. „Mit Gewalt Kartoffeln trocken zu pusten und dabei viel Energie zu verschwenden – das geht auch einfacher.“
Nach der Ernte müssten die Kartoffeln erst einmal draußen stehen, bevor sie eingelagert werden. Man müsse natürlich den nötigen Platz dafür haben, es dürfe nicht regnen, und dieses Verfahren bremse womöglich auch die Rodung. Dennoch werde hier die natürliche Zirkulation der Luft in der Kiste genutzt – und diese sei durch nichts zu ersetzen. „Aber das ist keine Mehrheitsmeinung und darf auch diskutiert werden“, fügt Carsten Niemann hinzu. Er könne kaum glauben, wie sich die Herausforderung der Lagerung in den vergangenen 20 Jahren verändert habe. Damals musste er die Kartoffeln vor Frost schützen, heute muss er sie gegen die Wärme isolieren.
Kaum jemand kennt sich so gut mit Bio-Kartoffeln aus wie Carsten Niemann. 1987 hat er den ersten Kartoffel-Betrieb umgestellt. Als Geschäftsführer der Bio Kartoffel Nord GmbH und Co. KG in Lüchow in Niedersachsen und Ökolandwirt weiß er um die großen und kleinen Unterschiede zwischen dem konventionellen und dem biologischen Kartoffelanbau.