Biodiversität beim Biokreis: Best Practice
Biokreis-Heumilchbauer Peter Schinnagl aus Oberbayern setzt auf Grünlandbewirtschaftung im Einklang mit der Natur.
Fährt man auf den Betrieb von Peter Schinnagl zu, staunt man nicht schlecht ob der Vielfarbigkeit der Milchkühe, die direkt am Hof auf der Kurzrasenweide stehen. Hier mischt sich ein Grundbestand an Schwarzbunten und Rotbunten mit Jersey und Braunvieh, mit Pinzgauer und Normanne-Rind. Auch allerlei Kreuzungen der Rassen sind mittlerweile entstanden. „Ich habe eingekauft, was mir gefallen hat“, erzählt der Landwirt, der seine Entscheidungen mit einer gehörigen Portion Leidenschaft und der Lust an neuen Wegen trifft. Bei aller Freude am Ausprobieren steht dahinter auch ein Konzept für die Herde: Die Zucht auf Hornlosigkeit, auf A2-Milch und auf Robustheit sind klare Ziele für Peter Schinnagl.
Diese Offenheit für Neues hat den Hof vor mehr als 20 Jahren zur ökologischen Landwirtschaft geführt. Seit 1998 ist der Milchviehbetrieb mit 70 Hektar Fläche im Voralpengebiet bio- und Biokreis-zertifiziert. Zum Grünlandbetrieb mit eigener Heutrocknung am Hof gehören etwa 70 Milchkühe mit Nachzucht; die Heumilch geht an die Andechser Molkerei.
Die Heuwirtschaft ist das Kerngeschäft des Betriebs. Wo Peter Schinnagl auf sechs Hektar Ackerbau betreibt, passiert das mit einer breiten Fruchtfolge mit viel Kleegras. Angebaut wird dann hauptsächlich, was sich zu Cobs für die Fütterung verarbeiten lässt. In diesem Jahr sind das zum Beispiel Mais und ein Gemenge aus Hafer und Ackerbohnen, das später als Ganzpflanzengetreide-Cobs (GPS-Cobs) im Futtertrog landen soll. Den Gemengeanbau hat Peters Vater vor 15 Jahren für sich entdeckt, er birgt im regenreichen Voralpenland einen weiteren Vorteil: Das Gemenge wird mit Untersaat ausgebracht. Wird dann die Frucht gehäckselt, keimt die Untersaat und es wächst Kleegras oder eine Wiesenmischung nach, die wiederum Heu für die Tiere liefert. Davon profitieren der Boden und die Insekten, die sich im Kleegras ansiedeln können. So gehen Betriebswirtschaft und Biodiversität Hand in Hand.
"Für mich gibt’s keine andere Landwirtschaft."
Art und Weise der Mahd: für die Artenvielfalt entscheidend
Überhaupt hat Peter Schinnagl immer das Gesamtkonzept im Blick, wenn es darum geht, den Nutzen für seinen Betrieb und für die Biodiversität unter einen Hut zu bringen. So auch bei der Mahd: Der Bio-Bauer bewirtschaftet seine Wiesen gestaffelt. Das hat einmal ganz praktische Gründe, weil das Mähgut aller Flächen nicht auf einmal in die Trocknung passt. Durch den zeitlichen Versatz ergibt sich ganz automatisch und in die Betriebsabläufe passend, dass irgendwo immer Aufwuchs auf den Flächen steht, in den sich Insekten und andere Tiere zurückziehen können. Wenigstens fünf bis sechs Wochen dauert es dann bis zum nächsten Schnitt.
„Am meisten macht aber aus, welche Maschinen man beim Mähen und bei der Folgebearbeitung hat“, meint Peter Schinnagl. Er verzichtet deshalb beim Mähen auf einen Aufbereiter, der, wenn er zum Einsatz kommt, deutlich mehr Insekten tötet als die Mahd nur mit Scheibenmähwerken. Einer Studie des Schweizerischen Zentrums für Bienenforschung zufolge können bis zu 90 Prozent weniger Verluste bei Insekten festgestellt werden, wenn ohne Aufbereiter gearbeitet wird. Dann konnten zahlreiche Bienen in den abgelegten Schwaden beobachtet werden.
Aber auch die Mähzeitpunkte sind für die Wirkung der Mahd auf die Insektenwelt wichtig. Abends bei Wind oder bei starker Bewölkung geht Peter Schinnagl am liebsten an die Arbeit, um möglichst wenige Insekten zu erwischen. Nach der Mahd lässt er mindestens eine Stunde Zeit, bevor er mit dem Kreiselzettwender zum Zetten fährt, denn diese Zeit brauchen die kleinen Lebewesen in etwa, bis sie sich aus der Schwad ins Untergras verkriechen können.
Weidehaltung sichert das Leben der Schwalben
Belohnt wird seine Aufmerksamkeit für die Belange der Natur durch allerlei Leben auf den Flächen: Heuschrecken, Wildbienen und Schmetterlinge bevölkern seine Wiesen. Aber auch Schwalben, die um den Stall fliegen, gehören ins Bild. „Das kommt nur von der Weidehaltung“, ist sich Peter Schinnagl sicher. „Wir haben einfach optimale Standortbedingungen: einen windgeschützten Stall, wo sie brüten können, offene Böden vor dem Stall, die sie zum Nestbau brauchen, und die vielen Fliegen auf den Kuhfladen als Futter.“ So gibt es jedes Jahr ein paar Nester mehr am und im Stall zu finden.
Doch auch für einen wie Peter Schinnagl, der sich vielerlei Gedanken zur Biodiversität und zur Arbeit mit der Natur macht, bleibt es eine Herausforderung, alles unter einen Hut zu bekommen. „Je später man mäht, desto mehr blüht, das ist einfach so. Aber dann hast du halt einfach kein gutes Futter fürs Vieh.“ – Das ist ein Thema, bei dem Hofwirtschaft und Natur zu einem Kompromiss finden müssen. Ein anderes ist die Nähe der Weideflächen zu einem Bach, in dem Biber aktiv sind. Am Ufersaum des Baches, der an der Weide entlangfließt, soll eine kleine Hecke entstehen, in die sich später Vögel einnisten könnten. Doch der Biber macht es den Pflanzen schwer, groß zu werden. Auch Teile der Weide hat er schon unter Wasser gesetzt. Ein Thema, das dem Bio-Bauern Sorge bereitet.
Auch wenn manche Herausforderung bleibt, zur Bio-Heumilchwirtschaft auf seinem Hof gibt es für Peter Schinnagl keine Alternative: „Für mich gibt’s keine andere Landwirtschaft. Man kann ja immer wirtschaftlich das Maximum aus einem Betrieb rausholen. Aber das möchte ich gar nicht.“ Der Natur ihren Raum geben, ob am Hof oder auf den Wiesen und Feldern, das ist aus seiner Sicht ein Weg für mehr Artenvielfalt, den jeder mitgehen sollte.
Von Stephanie Lehmann
Im Biokreis-Maßnahmenkatalog zur Förderung der Biodiversität erhalten Betriebe mit einem hohen Grünlandanteil Punkte. Bei mehr als 30 Prozent Grünland sind das 10 Punkte. Maximal können reine Grünlandbetriebe 25 Punkte erreichen. Bei der ersten Auswertung erreichte der Betrieb von Peter Schinnagl durch seine Maßnahmen 243 von 100 benötigten Punkten.
Mehr Informationen zum Biokreis-Maßnahmenkatalog findet Ihr unter https://unser-biokreis.de