Von Haselnüssen und Hühnern

Bilder von Tobias Köhler

Über vier Hektar erstrecken sich die Haselnusspflanzen der Familie Stiegler, bis zum Horizont reiht sich Bäumchen an Bäumchen. Im Gegensatz zum Haselnussstrauch, wie er in vielen Gärten zu finden ist, wird die Pflanze hier als Baum kultiviert.

Die Haselnuss ist keine typische Frucht der deutschen Landwirtschaft. Knapp drei Viertel der Haselnüsse am Weltmarkt stammen aus der Türkei, weitere wichtige Produzenten sind Italien und die USA. Deutschland spielt mit etwa 280 Hektar Gesamtanbaufläche eigentlich keine Rolle. Dabei ist das Land einer der größten Importeure von Haselnüssen. Wie passt das zusammen?

Diese Frage beschäftigt Landwirt Fritz Stiegler, der seinen Betrieb im Juli 2017 auf Ökolandbau umgestellt hat und seit zwei Jahren Biokreis-Mitglied ist, ebenso wie viele weitere Fragen rund um Nachhaltigkeit und ökologisches Leben. Er versteht den Anbau von Haselnüssen hier vor Ort auch als Beitrag zu einer regionalen Wertschöpfung, die Nischen als neue Möglichkeiten zu nutzen weiß. 

Was das „kuhfreie“ Dorf mit den Haselnüssen zu tun hat

„In den 1980er-Jahren bin ich in die Landwirtschaftsschule gegangen“, erzählt Fritz Stiegler. „Damals hatten wir 15 Kühe daheim. Die Lehrer haben mir aber schon gesagt: Wenn du mit Kühen weitermachen willst, reichen 15 Tiere nicht.“ Sie sollten Recht behalten.

Daheim, das ist in Gonnersdorf bei Nürnberg. In dem Dorf mit weniger als 100 Einwohnern waren einmal 14 Milchlieferanten ansässig. Seit der Jahrtausendwende ist Gonnersdorf jedoch „kuhfrei“. Ein Kleinbetrieb mit wenigen Tieren rechnet sich einfach nicht mehr.

Um vom landwirtschaftlichen Betrieb weiterhin leben zu können, mussten die Stieglers sich also neue Wege suchen. Eine Zwischenlösung war der arbeitsintensive Tabakanbau, der den Betrieb seit Beginn der 1990er-Jahre finanzierte. In dieser Zeit wurde auch die Pensionspferdehaltung am Hof auf- und ausgebaut – bis heute ein wichtiges Standbein für die Familie.

Mit der Abschaffung der EU-Subventionen für den Tabakanbau im Jahr 2005 waren Alternativen gefragt. Fritz Stiegler übernahm damals den Vorstand einer bäuerlichen Interessengemeinschaft – denn viele Bauern in Franken waren betroffen – und stellte einige Hektar seines Landes zu Verfügung, um darauf Neues auszuprobieren. Mit Hilfe eines EU-Projekts wurden dort zunächst 25 Sorten Haselnüsse angebaut, heute stehen 45 Sorten in der Anlage. Die Herausforderungen, die sich durch die unterschiedlichen Formen und Reifezeiten der Nüsse für die Ernte ergeben, beschäftigen den Betrieb bis heute.

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Nun kommen seit einiger Zeit Hühner im Kampf gegen den Schädling zum Einsatz. Die Hühner picken die Käfer aus der Erde und erhalten so eine Extraportion Eiweiß. Zugleich versorgt der Kot des Geflügels die Haselnusspflanzen mit natürlichem Dünger.


Von Problemen und deren Lösungen

Über den Haselnussanbau auf dem Acker gab es damals fast keine Information beim zuständigen Landwirtschaftsamt. Zwar wurde eine Haselnussberaterin installiert, aber auch sie musste sich im Lauf der Jahre viel Fachwissen erst aneignen. Mittlerweile wurde diese Beratung zudem auf ein Minimum reduziert. Und so musste die Familie Stiegler über die Jahre immer wieder eigene Lösungen entwickeln.

Der größte Feind der Haselnuss, stellt Fritz Stiegler fest, ist das Wetter, insbesondere seit es sich aufgrund des Klimawandels immer weniger vorhersagen lässt. „Wir Landwirte sind die allerersten, die das merken. Wir haben nur noch die Hälfte der Niederschläge, die bei uns normal sind. Es ist richtig krass“, erzählt der erfahrene Landwirt.

Gegen die Trockenheit wappnen sich die Stieglers mit einer Tröpfchenbewässerung. 1,6 Liter Wasser tropfen im Sommer pro Stunde alle 30 Zentimeter auf den Boden. So wird die Verdunstung auf ein Minimum reduziert. Zu schaffen machen der Haselnuss neben den langen Trockenphasen vor allem die zunehmend wechselhaften Temperaturen im Winter. Sind diese eher lau, findet die Bestäubung der Blüten nicht wie üblich im Januar oder Februar statt, sondern schon im Dezember. Wird es dann im Januar kalt, erfriert die Blüte.

Aber auch Feldhasen, Wühlmäuse, Krähen und Elstern stellten sich ein und setzten den noch jungen Pflanzen zu. Erst nach und nach ergaben sich Mittel und Wege, die den Schaden zumindest begrenzen. Eine besonders charmante Lösung haben die Stieglers für die Bekämpfung des Haselnussbohrers gefunden. Diese Rüsselkäferart überwintert in fünf bis zehn Zentimetern Tiefe im Boden. Im Juni setzen die Weibchen ein Ei in die noch weiche Haselnuss. Die sich entwickelnde Larve lebt von dem Nusskern.

Was machen die Hühner im Haselnussfeld?

Nun kommen seit einiger Zeit Hühner im Kampf gegen den Schädling zum Einsatz. Vorbild war ein Bioland-Betrieb in Südbayern, der diese Methode bereits erfolgreich anwendet. Die Hühner picken die Käfer aus der Erde und erhalten so eine Extraportion Eiweiß. Zugleich versorgt der Kot des Geflügels die Haselnusspflanzen mit natürlichem Dünger.

Seit dem Frühjahr steht daher ein Hühnermobil am Haselnussfeld. Mit seinen 18 Metern Länge und acht Metern Breite ist das 22 Tonnen schwere Gefährt mit Wintergarten ein echter Hingucker. Das Futter für die 790 Hühner stammt zum großen Teil von den weiteren Betriebsflächen, auf denen zum Beispiel Weizen und Leguminosen wachsen. Alle vier Wochen wird der Elektrozaun, der die Hühner vor Fuchs und Marder schützt, versetzt, und die Tiere dürfen einen neuen Bereich der Haselnussfelder erobern.

Zudem haben die Stieglers jetzt ein weiteres Vermarktungsprodukt. Ein Ei kostet im Hofladen 45 Cent. Nach 15 Monaten kommen die Legehennen als Suppenhühner in den Verkauf. „Das Thema Suppenhuhn ist wieder im Kommen. Wir machen also nichts falsch“, grinst Fritz Stiegler.

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Der Betrieb ist ein Vermarktungswunder

Überhaupt, die Vermarktung – sie ist ein kleines Wunder bei diesem Betrieb. Regelmäßig besuchen Gruppen den Hof, um sich das innovative Konzept vorstellen zu lassen. Nicht nur ist der Vortrag von Fritz Stiegler überaus unterhaltsam, Sohn Martin weiß viel Interessantes von der Verarbeitung der Haselnüsse zu Feinkost-Produkten zu erzählen.

Die weitere Verwertung der Haselnüsse ist über die Franken Genuss GmbH & Co. KG organisiert, die Martin Stiegler als Geschäftsführer vertritt. In die Produktion fließen sowohl die eigenen Nüsse, die nach drei Jahren Umstellungszeit nächstes Jahr den Bio-Status erhalten, als auch die Nüsse von Bauern aus der Umgebung. Ein modifizierter Kaffeeröster, der für die Besucher des Hofladens als gläserne Produktionsstätte zu sehen ist, stellt das Herzstück des Betriebs dar. Nur 20 Prozent gehen als Naturnüsse an Bäckereien und Liebhaber, der Rest wird im Röster aufgewertet. Denn ob Schokoladenhersteller oder Schnapsbrenner, sie alle wollen geröstete Nüsse.

Aber die Franken Genuss GmbH & Co. KG hat auch eigene Produkte zu bieten. Vor einigen Jahren begann Martin Stiegler an der Entwicklung eines Haselnuss-Muses zu arbeiten. Daraus ist mittlerweile ein ausgeklügeltes Sortiment erwachsen, das im hofeigenen Laden verkauft wird und ganz auf Wertschöpfung in der Region setzt. Vom Haselnuss-Salz über Haselnuss-Öl bis hin zu Haselnuss-Dinkel-Nudeln, mit hofeigenen Eiern hergestellt, ist dort alles rund um die heimische Frucht geboten. „Die Symbiose zwischen Hühner und Haselnüssen funktioniert hervorragend“, erzählt Martin Stiegler. „Wir schauen, dass das bei unseren Produkten zur Geltung kommt.“ So greifen auch beim „Eier-GeNuss-Likör“ auf Basis vom hauseigenen Haselnussgeist Ei und Haselnuss bestens ineinander.

Und was passiert mit den Schalen?

Der Verkaufsschlager ist jedoch ein Haselnuss-Nougat-Aufstrich, der sich zum Aushängeschild des Betriebs entwickelt hat, und in drei Varianten zu haben ist. Mehr als ein Jahr hat Martin Stiegler an der Rezeptur gearbeitet, die ganz ohne Emulgatoren, künstliche Hilfsstoffe und Palmfett auskommt.

Zuletzt stellt sich noch eine Frage: Was passiert eigentlich mit den Schalen? Auch dafür haben die Stieglers zwei kluge Vermarktungswege gefunden. Zum einen wird eine Holzkohle mit den holzigen Schalen angereichert. Das spart Holz und damit manchem Baum das Leben. Zum anderen eignen sich die Bruchstücke hervorragend als Mulch-Ersatz. Warum? – „Die Halbform der Schalen ist ein kleiner Wasserspeicher für die Beete“, erklärt Martin Stiegler. „Und, fast noch wichtiger: Schnecken gehen nicht gerne über die scharfkantigen Ränder.“ So ist es nicht verwunderlich, dass auch dieses Nebenprodukt wachsenden Absatz findet.