Der Waldrand als Schlüssel

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Die Bienen sind zur Ruhe gekommen. Sobald die Kälte hereinbricht, bleiben sie versammelt in ihren Beuten. Berufsimker Hans Georg Oswald aus Pfeffenhausen hat sie alle selbst aus dem Holz der Weymouth-Kiefer zusammengezimmert. Es ist ein warmes Holz, das sich nicht verzieht und verlässlichen Schutz für seine fleißigen Sammlerinnen bietet.

Doch noch ein anderes Holz bietet Schutz: Über den Kästen thronen Baumriesen, Eichen mit starken Armen und Kiefern, die etwas Licht durchlassen. Hecken schirmen sie ab vor Wind und Wetter – und auch vor den Blicken Fremder. Dieses Ensemble ist für seine Bienen perfekt, findet Hans Georg Oswald: Ein 50 Meter breiter Waldrand mit dem Dreigestirn aus Schlehen, Brombeeren und Wildrosen in der ersten Reihe, dahinter Kirsche, Weide und Haselnuss, gefolgt von Eichen. 

Bio-Indikator Waldameise

Ein gesunder Waldsaum dient der Artenvielfalt, und die Artenvielfalt stabilisiert wiederum das ganze Ökosystem Wald. Daher kommt dem Rand eine besondere Bedeutung zu, darin sind sich Expert*innen heute einig. Auch Hans Georg Oswald hat sich zeit seines Lebens intensiv mit dieser Materie beschäftigt. Schon als Auszubildender in der Landwirtschaft der Herrmannsdorfer Landwerkstätten wurde er einer Försterin zur Seite gestellt, deren Aufgabe der Umbau der zum Betrieb gehörigen Wälder war. Seither hat ihn die Thematik nicht mehr losgelassen. Er kümmerte sich ehrenamtlich für die Ameisenschutzwarte Bayern um die Waldameisen und wurde in den Naturschutzbeirat der Regierung von Niederbayern berufen.

 

Die Waldameisen seien Bio-Indikatoren für einen intakten Wald. Er selbst hat sie kartiert und weiß: In den meisten Wäldern gibt es keine mehr. „Waldbesitzer*innen müssen sie dulden und wollen“, sagt der Biokreis-Imker. „Dazu bedarf es einer Markierung, denn ansonsten passiert es leicht, dass bei der Holzarbeit ein Baum auf einen Haufen fällt oder über ihn gezogen wird.“ Die Ameisen leben in Symbiose mit bestimmten Baumarten wie Kirschen, Tannen und Eichen, brauchen Licht und wirken als natürliche Schädlingsbekämpfer. 100.000 Raupen des Fichtenspinners könnten sie an einem einzigen Tag zerstören!

 

Sie zersetzen organisches Material und bauen es in den Waldboden ein. Da Waldameisen ortsfest seien, haben sie keine Chance sich auszubreiten. Straßen und Äcker seien für sie unüberwindbar. Wer Waldameisen im eigenen Wald ansiedeln möchte, habe nur die Möglichkeit, bei der Ameisenschutzwarte anzufragen: Manchmal ist es aufgrund von Bauvorhaben nötig, Haufen umzusiedeln.

 

 

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An Standorten, die sich für Waldameisen eignen, platziert Hans Georg Oswald, auch seine Bienenkästen. Meist sind es Südlagen, windgeschützt und nicht einsehbar von Durchgangsverkehr. Doch von natürlichen Waldrändern profitieren nicht nur seinen Honigbienen, sondern auch Wildbienen und andere Arten. Dabei kommen die Bienen nicht in Konkurrenz zueinander.

 

Honigbienen seien Generalisten, verständigen sich untereinander, welche Pflanze gerade am meisten blüht und fliegen dann erst einmal nur diese an. Das könne etwa am Vormittag die Linde, am Nachmittag die Rose sein. Wildbienen dagegen seien hochspezialisiert und fliegen zu einer bestimmten Zeit des Jahres bestimmte Pflanzen an. Daher ergänzen sie sich gut. Der pflanzenartenreiche Waldsaum diene aber auch den Eichelhähern, Igeln, Raubvögeln sowie dem Grün- und Schwarzspecht. 

Landwirtschaft profitiert vom intakten Wald

 

Wer als Landwirt*in einen intakten Saum rund um seinen Wald habe, profitiere in vielerlei Hinsicht davon: Er könne wertvolle Hölzer wie Bauholz von der Tanne und Schreinerholz von der Kirsche ernten, schaffe Lebensräume für bestimmte Tiergruppen und damit auch für Nützlinge, die auf dem Acker gegen Kleinschädlinge wie Blattläuse wirken, und er sei in der Lage, Werte zu schützen.

 

„Die Fichten, die der Großvater gepflanzt hat, schützt der Specht, indem er die Schädlinge absammelt. Die Wasserhaltefähigkeit wird erhöht und auf der Laubschicht am Boden auch die Verdunstung“, erklärt Hans Georg Oswald. Im Gegensatz dazu sei es etwa auf einem Wald mit Fichtenmonokulturen unter den Nadeln knochentrocken. Empfehlenswert sei es auch, einen Bereich für Kleinbäume wie Eberesche, Holunder oder Elsbeere einzurichten, um das Ökosystem zu stabilisieren und Artenvielfalt zu fördern.

„Die Fichten, die der Großvater gepflanzt hat, schützt der Specht, indem er die Schädlinge absammelt."

Hans Georg Oswald

Frühblüher werden wichtiger

Die Abwechslung, die der Imker im Wald sucht, hat er auf dem Grünland rund um seine Imkerei selbst geschaffen. Kleinbäume wie Eichen, Mispeln, Weißdorn, Apfel- und Zwetschgenbäume bieten den Bienen Gelegenheit zum Schwärmen. An der buschigen Blattstruktur können sie sich gut festhalten. Neun seiner Völker werden umgeben von Hecken aus Drachenweide, die als regelrechter Bienenmagnet gilt, und von der Schwarzweide, die sich als besonders frühblühend und trockenheitsresistent gezeigt hat. „Alles hat sich im Jahresverlauf nach vorne geschoben, daher sind Frühblüher zunehmend wichtig“, erklärt er.

 

Eine Weißdornhecke sorgt für eine leichte Beschattung, ein Stück weiter bilden Schlehen, Wildrosen und Brombeeren schützende Hecken. Die immergrüne Berberitze habe sich ebenfalls bewährt und sei als Windschutz auch interessant für den Waldrand. Deren Ränder markiert und schneidet Hans Georg Oswald einmal im Jahr per Hand mit der Sense zurück.

 

Vom Haus fließt das Regenwasser einen Hang hinunter in einen natürlichen Trog eines Stücks Auwald, unter dem sich eine Quelle verbirgt. Dieser dient den Bienen als Tränke. „Es ist wichtig, dass sie hier trinken und nicht an den Feldrändern, das kann heute für sie lebensgefährlich sein“, sagt Hans Georg Oswald.

 

Damit die Bienen in unserer nicht mehr so bienenfreundlichen Landschaft noch genügend Pollen und Nektar finden können, will er nicht mehr als acht Völker an einem Standort platzieren. Auch deshalb sucht er derzeit nach neuen gesunden Bienenstandorten im Wald: Dort sollen seine Bienen in Ruhe leben können.

 

Von Ronja Zöls-Biber